Jedes Ökosystem ist anders (zu schützen)
06.03.2022
Jedes Ökosystem ist anders(zu schützen)
Es gibt im Naturschutz keine Regel die für jeden Lebensraum oder jedes Ökosystem gleichermaßen gilt. Was für ein Biotop gilt, kann für das andere das Gegenteil bedeuten. Dies möchte ich mit diesem Text bildhaft verdeutlichen.
Als wir Naturschutzarbeit leisteten fiel mir dies ein. Denn für den Laien ist es schwer nachzuvollziehen, nach welchen Kriterien man auswählt.
Wir schnitten aus einer Wacholderheide an einem Alb-Hang (Frankenalb), die im Laufe der Jahre zuwucherte, leider wurde sie Jahrzehnte nicht mehr beweidet, Hecken und Triebe von aus. Auf der gesamten Fläche, ja im Wacholder selbst, wuchsen Schlehen und andere Heckengehölze empor. Dies behindert nicht nur den Wacholder im Wachstum und nimmt ihm Licht und Nährstoffe (auch wenn er sehr genügsam ist) und lässt ihn schließlich sterben, sondern auch die Bodenflora, zu der seltene Magerrasenarten gehören. Denn Hecken, vor allem Schlehen sind sehr stark und ausbreitungsfreudig. So kommt auch auf dem Boden kaum mehr Licht an, das gerade auf Magerwiesen nötig ist, denn Magerwiesearten brauchen viel Licht und Wärme um zu gedeihen.
Wenn also wie hier Ziegen und Schafe fehlen, die die Hecken stutzen, die aus dem Boden treiben, so muss der Mensch ran. Auch wenn dieser es eher schlecht als recht macht. Vor allem, wenn die Hecken schon zu groß sind und es fast zu spät ist. Doch viellleicht kann ein Zuwachsen der Wacholderheide noch verhindert werden, wenn noch einmal großflächig abgeschnitten und vor allem der Hang in Zukunft mit Ziegen und Schafen beweidet wird. Dies ist schon in Absprache mit dem Landschaftspflegeverband vereinbart.
Die Frage von Laien ist berechtigt, warum es Naturschutz ist, Schlehen und andere Heckengehölze, die doch so wichtig sind für Vögel, zu schneiden, um ein paar Wacholderbüsche zu retten?
Sicher, Hecken gibt es immer weniger, jedoch in diesem Gebiet (zwischen oberpfälzer Jura und fränkischer Schweiz/fränkische Alb) sind gerade Schlehenhecken als altes Kulturgut, als landwirtschaftlicher Ackersaum allgegenwärtig. Auch andere Hecken wie Hagebutte, Weißdorn, Holunder oder Pfaffenhütchen. Gerade aber die als erstes im Frühjahr als weiß blühendes Band und der Schnaps aus dessen Früchten ist hierzulande wohl bekannt. Schlehen gehören ins Bild der Region als Schutzwall gegen Windverwehungen auf den Äckern seit je her. Ein Lebensraum für viele Vögel, Insekten und Säugetier. Auch das ein oder andere Reptil wie die Zauneidechse und selbst ein Amphibium wie die Erdkröte fühlt sich hier wohl. Es bietet Schutz gegen Raubtiere, hier ist die Kinderstube im Frühling und die Speisekammer im Winter, wenn noch bis zum nächsten Jahr Schlehen und andere Beerenfrüchte hängen. Hecken sind in dieser alten Kulturlandschaft schützenswert.
Nun komme ich aber zum eigentlichen Thema, warum Schlehen in einer Wacholderheide dennoch nichts zu suchen haben, wo sie doch so wertvoll sind.
Die Gründe nannte ich ja oben schon; denn kommen Schlehen zum Zug, dann ist der Wacholder verloren, zum Tode geweiht. Auch alle Bodenvegetation die zu einem Magerrasen gehören. Von der Küchenschelle über das Frühlingsfingerkraut, der echten Schlüsselblume, bis zum Fransenenzian und dem gefleckten Knabenkraut. Raritäten die es nicht mehr überall in Deutschland gibt. Sie brauchen neben genügend Licht und Wärme besonders einen mageren Boden, denn dort haben sie kaum Konkurrenz von anderen Arten die mehr Nährstoffe bevorzugen.
So hat jeder Lebensraum seine bestimmten typischen Pflanzen und Tiere, ja, sie bilden zusammen eine Artengemeinschaften, in der Ökologie nennt man sie Pflanzengesellschaften von denen natürlich auch andere Arten wie Tiere, Pilze oder Flechten profitieren können.
So setzt sich eine Wacholderheide eben aus ganz bestimmten Pflanzen zusammen, neben Wacholder eben Küchenschellen, Frühlingsfingerkraut oder Knabenkraut. Aber eine Schlehe wird in dieser Gesellschaft nicht nur nicht dazu passen, nein, sie wird diese Gesellschaft zerstören, auch das ist Ökologie. Darum kann eine Wacholderheide eben nur mit Hilfe des Menschen bzw größerer Pflanzenfresser existieren. Die Wacholderheiden genau wie Magerrasen und Weiden sind ja erst durch den Menschen entstanden. Es sind vom Menschen gemachte Kulturlandschaften. Ohne uns wird es diese Landschaftstypen gar nicht geben. Was wir landläufig mit Natur meinen sind eigentlich alte traditonelle Kulturlandschaften.
In Mitteleuropa gab es vor der Bewirtschaftung und der Weidetierhaltung durch den Mensch vor allem Wald und Moor. Freie Steppenlandschaften wie in der baumfreien Tundra gab es als es noch große wildlebende Pflanzenfresser wie Wiesente, Wildpferde und Auerochsen gab. Als diese in der Eiszeit ausstarben bzw dezimiert wurden, wuchs die Landschaft mit Wald zu. Später ersetzten zwar die Haustiere diese Arbeit der Landschaftspflege, jedoch brauchten die Menschen als sie sesshaft wurden, nicht nur Haustiere (die Herden waren beiweitem nicht so groß wie die einstigen Wildtierherden), sondern auch Holz zum bauen und heizen. Darum pflanzen sie, als keine natürlichen Wälder mehr vorhanden waren, neue, künstliche Forste um ihren Hunger nach Holz zu stillen. Außer da wo kein Baum gedeihen kann, im Moor. Neben Wald und Moor, gab es also vom Menschen angelegte Siedlungen und daneben Äcker und Weideflächen für die Tiere. So entstand die ersten Kulturlandschaften, die sich je nach Bedarf wandelten (Hülsenfrüchte, Getreide, später Kartoffeln; Mais (vorwiegend als Tierfutter), Wald und Wiesen als Weiden oder Viehfutter im Winter das gesenst wurde, Hopfen und Wein, Streuobstwiesen. Erst im späten Industriezeitalter kamen Freizeit- und Erholungsgebiete dazu und erst Ende des letzten Jahrhunderts (70er/80er Jahre) Naturschutzgebiete und Schutzgebiete die ausschließlich dem Schutz der Natur dienten dazu.
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